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Frühlingsblüte im Herbst?

Ein merkwürdiger Anblick: Reifer Apfel und Blüte zur gleichen Zeit.
Ein merkwürdiger Anblick: Reifer Apfel und Blüte zur gleichen Zeit.

Mancherorts kann man es wieder beobachten: Plötzlich blühen Schlehenhecken oder Weißdornsträucher, und manch einer wundert sich, wenn sein Obstbaum nicht nur Äpfel trägt, sondern auf einmal weiß blüht - im Herbst!

 

Doch dieses Naturschauspiel ist von zweifelhafter Schönheit, denn es handelt sich dabei meist um eine Notreaktion. Den Pflanzen bringt das nichts mehr, es schadet ihnen sogar. Im Sommer werfen bei Hitze und Dürre viele Bäume und Sträucher ihre Blätter und oft auch Früchte ab, um den Wasserverbrauch zu verringern und so überleben zu können. Manche werfen kaum oder gar nichts ab, gehen aber dennoch in einen "Stand-by-Modus". Wenn es im Spätsommer/Herbst wieder milder und feuchter wird, greifen manchmal die selben Mechanismen wie im Frühling: die zuvor notdürftig angelegten Knospen treiben aus. Das kostet Energie, die dann für den Austrieb im Frühjahr fehlt. Erfrieren bei ersten Nachtfrösten die Blätter und Blüten, fehlen zudem nicht selten auch die Knospen. Die Pflanzen starten so deutlich geschwächt in die nächste Saison. Geschieht dies mehrere Jahre in Folge, können die Bäume daran sterben.

 

Im Laufe des Klimawandels dürfte sich dieses Naturschauspiel mit Nebenwirkungen wahrscheinlich immer öfter beobachten lassen. Die zunehmend milden Winter tragen dazu bei, die innere Uhr der Pflanzen (und Tiere) aus dem Takt zu bringen. Die Vegetationsperiode ist bereits heute vier Wochen länger als noch vor 100 Jahren. Wenn das genau getaktete Spiel von Blühzeitpunkt, dem Erwachen bestäubender Insekten, Rückkehr und Brut der Vögel, Reifezeit der Früchte und so weiter nicht mehr zusammenpasst, drohen zahlreiche Symbiosen und damit sogar  ganze Ökosysteme zu kollabieren. Die Folgen  könnten also weit über den Verlust eines einzelnen Apfelbaums hinaus gehen. Ob und wie sich die Natur an diesen schnellen Wandel anpassen kann, gilt es in den nächsten Jahrzehnten genau zu beobachten. Nur so können wir bei gscheiterten Klimazielen zumindest versuchen, der Natur unter die Arme zu greifen und die Konsequenzen ein etwas zu mildern.